12 Juli 2022

Der Prozess nach dem niederländischen Gesetz zur Bestätigung eines außergerichtlichen Vergleichs

Kategorie: German Desk, Unternehmensrecht

Das niederländische Gesetz zur Bestätigung eines außergerichtlichen Vergleichs (Wet Homologatie Onderhands Akkoord, WHOA) ist vor inzwischen mehr als einem Jahr in Kraft getreten. Dadurch wurde seinerzeit das Insolvenzrecht geändert, um es Firmen, denen eine Insolvenz droht, zu erleichtern, eine Restrukturierung vorzunehmen.

Der Hauptunterschied zwischen WHOA und dem ursprünglichen Insolvenzgesetz ist Folgender: Wenn bei den Vereinbarungen zu einem Vergleich eine Mehrheit von 2/3 der Gläubiger (nach Forderungsbetrag bemessen) für den Vorschlag stimmt, werden die übrigen Gläubiger in die Vereinbarung mit einbezogen.

Nachstehend beschreiben wir ganz kurz die einzelnen Schritte, die auf der Grundlage des WHOA beachtet werden müssen, um erfolgreich eine außergerichtliche Übereinkunft zu erzielen.

Einleitung eines WHOA-Verfahrens zur Insolvenzvermeidung

Wenn ein:e Schuldner:in sich in einem Zustand befindet, in dem nach billigem Ermessen davon auszugehen ist, dass er:sie die eigenen Schulden nicht mehr begleichen kann, bieten sich zwei Möglichkeiten zur Einleitung eines WHOA-Verfahrens.

Erstens kann ein:e Schulder:in einen (öffentlichen oder geschlossenen) Vergleich anbieten.

Ferner kann auch ein:e Gläubiger:in, Gesellschafter:in, ein Betriebsrat oder eine Personalvertretung das WHOA-Verfahren einleiten, indem ein:e Restrukturierungssachverständige:r vom Gericht eingesetzt wird. Diese:r kann danach einen (öffentlichen oder geschlossenen) Vergleich anbieten.

Bedenkzeit, um mehr Zeit für den Vergleich zu schaffen

Damit ein:e Schuldner:in mehr Zeit bekommt, einen Vergleich vorzubereiten, ohne dass individuelle Regressansprüche dem im Wege stehen, kann ein:e Schuldner:in den:die Restrukturierungssachverständige:n oder das Gericht um Bedenkzeit bitten. Diese dauert grundsätzlich vier Monate dauern und kann einmalig auf bis zu acht Monate verlängert werden.

Verhandlungen über den WHOA-Vergleich

Sobald der Vergleich(-sentwurf) fertig ist, muss er (einem Teil von) den Gläubiger:innen und den Gesellschafter:innen vorgelegt werden. Man kann sich nämlich dafür entscheiden, dass bestimmte Gläubiger:innen nicht am Vergleich beteiligt werden.

Bei dem Vergleich werden Gläubiger:innen oder Gesellschafter:innen in Klassen zusammengefasst. Diese Klassen bestehen aus Gläubiger:innen oder Gesellschafter:innen mit ähnlichen Rechten (z. B. bevorrechtete oder nicht abgesicherten Gläubiger:innen).

Das Gericht kann ersucht werden, bevor über den Vergleich abgestimmt wird, ein Urteil über die wesentlichen Aspekte des Vergleichs zu fällen.

Vorlage des endgültigen WHOA-Vergleichs und Abstimmung der Gesellschafter:innen

Spätestens acht Tage, bevor die Gläubiger:innen und Gesellschafter:innen jeder Klasse abstimmen, wird ihnen der Vergleich vorgelegt. Im Anschluss wird innerhalb einer Woche nach der Abstimmung das Ergebnis bekanntgegeben.

Ersuchen um Bestätigung

Der Vergleich wird von einer Klasse angenommen, sobald 2/3 der Gläubiger (nach Forderung bemessen) ihr Einverständnis erteilt haben.

Stimmt keine Klasse dem Vergleich zu, kommt der Vergleich für eine Bestätigung (Einverständnis) nicht in Betracht). Wenn mindestens eine Klasse dem Vergleich zustimmt, kann das Gericht den Vergleich bestätigen. Das Gericht kann den Vergleich auf Antrag der Gläubiger:innen und Gesellschafter:innen bestätigen. Dieser Antrag muss von einem Rechtsbeistand eingereicht werden. Mindestens acht und spätestens vierzehn Tage nach Einreichung des Antrags findet der Gerichtstermin statt.

Die (nicht zustimmenden) Gläubiger:innen und Gesellschafter:innen haben bis zum Gerichtstermin die Möglichkeit, um eine Ablehnung der Bestätigung zu ersuchen. Das Gesetz nennt einige allgemeine und ergänzende Ablehnungsgründe, anhand derer das Gericht prüfen muss. Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass keine Ablehnungsgründe vorliegen, wird das Gericht den Vergleich bestätigen.

Sofern das Gericht jedoch der Ansicht sein, dass ein Ablehnungsgrund vorliegt, wird es den Bestätigungsantrag ablehnen. Hat ein:e Schuldner:in den Vergleich zur Bestätigung vorgelegt, ohne dass ein:e Sanierungssachverständige:r hinzugezogen wurde, kann der:die Schulnder:in in den darauffolgenden drei Jahren nicht nochmals einen Vergleich vorlegen. Wurde dagegen ein:e Sanierungssachverständige:r ernannt, kann im Prinzip ein neuer Vergleich vorgelegt werden.

Cross Class Cram Down

Aufgrund der Bestätigung des Vergleichs ist er für den:die Schuldner:in sowie alle stimmberechtigten Gläubiger:innen und Gesellschafter:innen bindend. Das bedeutet, dass der Vergleich auch für Gläubiger:innnen oder Gesellschafter:innen bindend sein kann, die dagegen gestimmt haben.

Auch in dem Fall, dass eine Klasse dagegen gestimmt hat, kann diese Klasse dennoch an den Vergleich gebunden werden. Das wird auch als Cross Class Cram Down, also als gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung, bezeichnet. Möglich ist dies, wenn mindestens eine Klasse, die finanziell beteiligt ist (d. h. die bei einer Insolvenz auch etwas erhalten hätte) dem Vergleich zugestimmt hat. Der:Die Schuldner:in muss bei der Einteilung der Gläubiger:innnen in Klassen also sorgfältig darüber nachdenken.

Blenheim berät Unternehmen

Haben Sie Fragen über das niederländische WHOA-Gesetz oder andere Aspekte bei Insolvenzen oder Sanierungen wenden Sie sich bitte an die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Corporate Team von Blenheim.